In meinem Leben bin ich innerhalb Deutschlands schon häufiger durch die Lande gezogen. Meine Wohnorte lagen bislang in Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Bayern und wieder Baden-Württemberg. Nun habe ich mich in den Zeiten des Umzugs noch nicht für Kirche interessiert, vielmehr war ich als Karteileiche unterwegs. So ist mir entgangen, dass ich mit jedem Ortswechsel automatisch auch Mitgliedschaft in der Ortsgemeinde und damit auch die Landeskirche gewechselt habe. Entgangen ist dieser Umstand mir deswegen, weil mir die Kirche in damals ziemlich schnuppe war. Außerdem kann ich mich nicht erinnern, von meinen „neuen“ Gemeinden in besonderer Weise begrüßt worden zu sein. (Aber das ist wieder eine andere Baustelle.)
Gefragt werden Sie nicht, ob Sie mit der Veränderung des Lebensmittelpunktes auch die Ortsgemeinde und die Landeskirche wechseln wollen. Es passiert einfach. Sie werden auch nicht gefragt, ob Sie in einer Landeskirche bleiben wollen. Und wenn Sie in eine andere Gliedkirche der EKD wechseln wollen, weil es Ihnen in Ihrer jetzigen nicht gefällt oder Sie überzeugt reformiert sind und Ihnen die lutherische nicht zusagt (nur ein Beispiel)? Nein, es geht nicht, die Mitgliedschaft in einer Landeskirche kann nicht ohne weiteres gewechselt werden, wie mir die EKD auf Anfrage noch einmal bestätigt hat:
Dies [der Wechsel] kann auch über die Grenzen der einzelnen Landeskirchen hinaus geschehen. Bedingung ist, dass eine Teilnahme am Gemeindeleben der jeweiligen Kirchengemeinde möglich ist. Wenn also jemand z.B. in Flensburg seinen Lebensmittelpunkt hat und Mitglied in einer Kirchengemeinde in Passau sein möchte, müssten schon besondere Umstände bestehen, damit das sinnvoll ist.
Und was sinnvoll ist, entscheiden nicht Sie, sondern Ihre derzeitige Landeskirche. Wäre ja auch noch schöner, wenn die Schafe den Stall regieren.
Aber ernsthaft: Warum geht das eigentlich nicht? In Zeiten zunehmender beruflicher Mobilität mag es Menschen geben, für die die klassische Ortsgemeinde nicht mehr die Bedeutung hat. Sie möchten vielleicht ihrer Kirche im digitalen Raum verbunden sein, ohne einer bestimmten analogen Gemeinde und damit einer bestimmten Landeskirche anzugehören.
Dass so eine ortsungebundene Mitgliedschaft möglich ist, zeigen die politischen Parteien. Dort gibt es bereits seit längerem z.B. bei der CDU und der FDP die Möglichkeit der online-Mitgliedschaft. Allerdings ist diese Mitgliedschaft in Rechten und Pflichten etwas eingeschränkt. Eine entsprechende Änderung des Parteiengesetz zur Aufhebung dieser Einschränkung wird bereits seit längerer Zeit diskutiert. Aber immerhin, der Anfang ist gemacht.
Mich würde interessieren, ob die EKD und ihre Gliedkirchen etwas ähnliches auf dem Schirm haben. Es spräche einiges für eine solche Konstruktion, denn momentan gibt es nur zwei Optionen: Mitglied in der zugewiesenen Ortsgemeinde/Landeskirche oder eben kompletter Austritt. Letzteres kann nicht im Interesse der Kirchen sein, vermute ich, zumal in Zeiten, in denen viele Menschen meinen, auch ohne Kirche ihren Glauben ausüben zu können: Als (Mit-) Glieder einer ecclesia invisibilis.
Die Kirche ist ja nicht etwa ein besonderer Haufen und eine mit Fingern zu zeigende Sekte, gebunden an ein Element, eine Zeit, Person und Stätte, sondern ein geistlicher, unsichtbarer Leib aller Glieder Christi, aus Gott geboren, und in einem Sinn, Geist und Glauben; aber nicht in einer Stadt oder etwa an einem Ort äußerlich versammelt, daß man sie sehen und mit Fingern zeigen könnte, sondern [eine Gemeinschaft], die wir glauben und nicht sehen, es sei denn mit gleich geistlichen Augen des Gemüts …
Sebastian Franck, Paradoxa, [1534], fol. VIII
Kann man mal drüber nachdenken…