Peter Moore: Die Neuerfindung der Religion

Als ich vor einiger Zeit einen Artikel von Michael Blume gelesen habe, ist mir zum ersten Mal der Begriff des „Religionswissenschaftlers“ begegnet. Unwissend wie ich bin, habe ich dies natürlich prompt mit einem „Theologen“ verwechselt. Dass dies mitnichten gleichzusetzen ist, habe ich erst später aus einem einschlägigen Artikel in der Wikipedia erfahren. Dort lesen wir:

Die Religionswissenschaft ist eine Geisteswissenschaft oder auch Kulturwissenschaft, die Religion empirisch, historisch und systematisch erforscht. Dabei befasst sie sich mit allen konkreten Religionen, religiösen Gemeinschaften, Weltanschauungen und Ideologien sowie religiös konnotierten Narrativen der Vergangenheit und Gegenwart.

Es wird in der Disziplin „Religionswissenschaft“ also nicht nur die christliche Religion wissenschaftlich untersucht und begleitet, sondern eben alle Religionen. Wenn man das Buch „Die Neuerfindung der Religion“ zur Hand nimmt, sollte man das wissen, denn der Autor Peter Moore ist Religionswissenschaftler. Und so geht es in seinem Buch auch nicht besonders um die christliche Religion, sondern um die Religion an sich.

In zwölf kompakten Kapiteln, die man auch in beliebiger Reihenfolge wie einzelne Aufsätze lesen kann, untersucht und beschreibt der Autor:

  • warum exakte Definitionen von „Religion“ in der Regel zu kurz springen, da sie der Vielfalt der Erscheinungsformen und der Praxis unmöglich gerecht werden können,
  • wie der Glauben den Rahmen für die religiöse Praxis einschränken aber auch erweitern kann,
  • die Aktivitäten, die innerhalb der Religionen ausgeübt werden. Ein Blick in die Religionspraxis sozusagen,
  • dass Religionen beileibe nicht statisch sind, sondern ebenfalls Veränderungen unterworfen sind,
  • welche Rolle Mythen und Symbole in Religionen spielen,
  • inwieweit Religionen durch außerordentliche Erlebnisse besonders „ausgewählter“ Menschen, z.B. Mystikern erklärt werden können,
  • wie Religionen durch Autoritäten und Organisationen zu starren abgeschlossenen Systemen werden können,
  • welche Beziehungen zwischen Religion und Ethik bestehen und warum ein Zusammenhang nicht unbedingt selbstverständlich ist,
  • was es mit der Anbetung von Götzenbildern auf sich hat und wie man diesen Begriff auch anders deuten könnte,
  • warum es nicht sinnvoll ist, alle Religionen in einen Topf zu werfen,
  • welche Rolle die Religionen im Zeitalter der (Natur-) Wissenschaft spielen und inwiefern sie ganz andere Fragen als die Wissenschaft beantwortet,
  • warum immer mehr Menschen mit der Religion unzufrieden sind und sich von ihr zurückziehen,
  • Wie man sich Religion auch anders verstehen könnte und ihr damit vielleicht den Stellenwert einräumen könnte, der ihr zusteht.

Als Gar-noch-nicht-so-lange-Gläubiger hat mir dieses Buch doch das eine oder andere Aha-Erlebnis beschert. Beispielsweise wird mir die Unterscheidung der Ausdrücke „glauben, dass“ und „glauben an“ sicher in Zukunft das eine oder andere Gespräch über den Glauben erleichtern. Auch die Unterscheidung zwischen „natürlicher“ und „Offenbarungstheologie“ ergibt einen Unterschied, der einen Unterschied macht.

Irritiert hat mich das Buch überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, ich habe beim Lesen viel gelernt. Dazu beigetragen hat sicherlich der auch für Nichtfachleute gut verständliche Schreibstil (TheologInnen, höret die Signale!) und die Wertschätzung des Autoren für die unterschiedlichen Positionen, die man gegenüber Religionen einnehmen kann.

Mir hat das Buch großen Nutzen gestiftet und so empfehle ich es gerne weiter. Und nein, das hat nichts damit zu tun, dass ich es als Rezensionsexemplar vom Midas-Verlag zur Verfügung gestellt bekommen habe (Danke dafür).

Das Buch ist gut, so einfach ist das.

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