Was Suchmaschinen und Kirchenaustritte verbindet

Vor einiger Zeit äußerte sich Altbischof Huber zum ewigen Thema Kirchenaustritte. In einem Beitrag meinte er, die Evangelische Kirche müsse auf Ausgetretene zugehen. Ich habe mich immer schon gefragt, was dieses „(aufeinander) zugehen“ im Kirchensprech tatsächlich bedeutet. Sei’s drum, es kann ja nie schaden, mit Mitmenschen in Kontakt zu treten.

Ob es allerdings etwas nützt, wage ich bei den Kirchenaustritten zu bezweifeln. Das ist wie mit verlorenen KundInnen. Wer weg ist, ist weg bzw. wer raus ist, ist raus. Aber was ist mit den Menschen, die (noch) in der Kirche sind? Nein, ich meine jetzt nicht die Mitglieder der sogenannten „Kerngemeinde“, auf die bei jedem Gottesdienst Verlass ist. Ich meine die

Menschen, die nicht mehr in der Kirche sind, aber auch noch nicht draußen.

Leute also, die als U-Boot-Christen, Karteileichen bezeichnet oder mit anderen despektierlichen Etiketten beklebt werden. Menschen, die „eigentlich schon längst mal austreten wollten“, aber bis jetzt noch nicht „dazu gekommen sind“.

Versetzen wir uns einmal in die Lage eines solchen Menschen. Wir haben uns schon immer mit der Absicht getragen, auszutreten. Jetzt ist es soweit, wir wollen die Absicht endlich wirklich werden lassen. Aber wie geht das? Klar, Google hilft immer und wenn Sie in das Suchfeld „Kirchenaustritt“ eingeben, dann bekommen Sie ungefähr 1.110.000 Ergebnisse (Stand 13.10.2022, 10:39).
Wie sehen die Ergebnisse aus?
Gleich auf der ersten Seite gibt es mehrfach Hinweise auf Websites, die schon in der URL dieses Thema benennen und beim Kirchenaustritt behilflich sind. Außerdem werden Ihnen eine Vielzahl Links vorgeschlagen, die Sie direkt auf die entsprechende Seite der Stadtverwaltungen leiten.

Und wo sind die Kirchen?

Jetzt wird es dunkel. Ich habe keine Website irgendeiner Kirche zu dieser Sucheingabe gefunden. Zumindest nicht auf den ersten Seiten und mehr wie drei Seiten blättert der Otto-Normal-User sowieso nicht.
Machen wir uns klar, an dieser Stelle (Suchen nach der Austrittsmöglichkeit) ist die Entscheidung noch nicht endgültig gefallen, sie hängt am seidenen Faden, es steht Spitz auf Knopf. Kurz:

Jetzt gilt’s, es geht um die Wurscht!

Und in dieser entscheidenden Situation erscheinen in den Ergebnissen nur Websites, die einem beim Kirchenaustritt behilflich sein wollen.
Warum erscheinen die Kirchen nicht? Warten wir erst ab, bis die Menschen ausgetreten sind, damit wir dann anschließend auf sie zugehen können?

Ob man in den Ergebnissen der Suchmaschinen erscheint und an welcher Stelle, ist nicht vom Zufall abhängig. Man kann das in gewisser Weise beeinflussen. Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimization) nennt das der Fachmann/die Fachfrau. Es gibt Nachbarn, die sich mit so etwas auskennen, auch unter uns Christen, Ralf Peter Reimann zum Beispiel. In seinem Beitrag SEO Kirchenaustritt hat er genauer analysiert, wie die Suchergebnisse zum „Kirchenaustritt“ zustande kommen und wie man diese beeinflussen könnte.

IMO ist der Artikel von Ralf Peter Reimann ein wertvoller Hinweis darauf, dass die Auswirkungen der Digitalisierung von den Kirchen noch bei weitem nicht begriffen werden. Und hier geht es tatsächlich um Handfestes, nämlich um Kirchenaustritte und die praktischen Folgen.

Allerdings habe ich die leise Vermutung, dass die Kirche generell nicht weiß, wie sie mit den Menschen, die kurz vor dem Austritt stehen, aber noch unentschlossen sind, umgehen soll. Man „arbeitet eben lieber mit denen, die kommen“ oder „geht auf die zu, die (nicht mehr) in der Kirche sind“.

Und was ist mit den anderen?
Keine Ahnung, wir zittern und hoffen, dass sie drin bleiben. Auf Dauer wird das nicht funktionieren, denn die Zahlen, Daten, Fakten sagen etwas anderes.

Beitragsbild von FirmbeePixabay-Lizenz

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